Weltmeisterliche Erfahrung für BFV-Schiedsrichter

Von 23. September 2023 bis 07.10.2023 fand die Fußball-Weltmeisterschaft der Gehörlosen in der faszinierenden Kulisse von Kuala Lumpur, Malaysia statt. Dieses sportliche Großereignis versammelte Gehörlosen-Athleten und -Schiedsrichter aus der ganzen Welt, um ihre Fähigkeiten und Leidenschaft für den Fußball zu demonstrieren.

 

Mit Ricardo Scheuerer war auch ein Berliner Schiedsrichter mit dabei. Er berichtet uns von seinen Erfahrungen:

Nach einem kräftezehrenden 14-stündigen Flug wurde ich am Flughafen herzlich vom Organisationskomitee empfangen. Die Begrüßung war eine wohltuende Erfrischung nach einer langen Reise, und ich wurde sogleich zu meinem Hotel gebracht, wo ich mich auf die spannenden Herausforderungen der kommenden Tage vorbereiten konnte.

Schon am nächsten Morgen um 07:30 Uhr begann das Training für alle Schiedsrichter:innen. Die Atmosphäre war geprägt von Aufregung und Vorfreude. Dabei wurden verschiedene Übungen und Szenarien für die Spiele gezeigt, und ich konnte dank meiner Erfahrung im Gehörlosenfußball einige wertvolle Beiträge liefern. Die Diskussion über das richtige Verhalten der Schiedsrichter:innen und die Kommunikation bei Spielunterbrechungen, sei es aufgrund von Foulspiel oder anderen Gründen, war äußerst aufschlussreich und lehrreich.

Nach dem Training hatten wir die Gelegenheit, die anderen Schiedsrichter:innen aus Malaysia kennenzulernen, was sich aufgrund von Sprachbarrieren als eine echte Herausforderung erwies, da nicht alle Schiedsrichter:innen Englisch sprachen. Dennoch war es bereichernd, unterschiedliche Perspektiven und Ansichten zu hören und die Gemeinsamkeiten im Umgang mit Schiedsrichter:innen-Aufgaben zu entdecken.

An spielfreien Tagen standen verschiedene Trainingseinheiten auf dem Programm, darunter Laufübungen, Lauftechniken und ausführliche Auswertungen, um unsere Leistung stetig zu verbessern. Die malaysische Umgebung zeigte sich klimatisch vielfältig, geprägt von zwei Klimazonen: dem tropischen Monsunklima im Norden von Westmalaysias und in Ostmalaysia sowie dem Äquatorialklima im Rest des Landes. Dieses Äquatorialklima sorgte für ständig feuchte Luft bei hohen Temperaturen. Die Herausforderung, bei diesen Bedingungen ein stabiles Lauftempo zu halten und sich auf das Spiel zu konzentrieren, war keine leichte Aufgabe.

Am ersten Spieltag hatte ich spielfrei, aber am zweiten Spieltag konnte ich als Schiedsrichterassistent (SRA) bei der Begegnung zwischen England und Japan meine Aufgaben wahrnehmen. Am dritten Spieltag amtierte ich als SRA bei einem Frauenmatch zwischen England und Polen. Doch der Höhepunkt meiner Reise war zweifellos der 28. September, an dem ich die Ehre hatte, das Achtelfinale zwischen Frankreich und Argentinien zu leiten. Dieses Spiel war geprägt von einer regelrechten Kartenflut und einer längeren Spielunterbrechung aufgrund eines Gewitters und Regens. Die Entscheidungen, die ich treffen musste, erforderten eine hohe Konzentration und eine klare Durchsetzung der Regeln. Dieser Moment gab mir eine völlig neue Perspektive. Interessanterweise empfanden auch die malaysischen Schiedsrichter:innen die hohe Anzahl an Karten als ungewöhnlich und stellten viele Fragen, die zu spannenden Diskussionen führten.

Nach diesem aufregenden Spiel wurde mir mitgeteilt, dass ich bei den nächsten Spielen als 4. Offizieller fungieren würde. Diese neue Rolle bot mir die Gelegenheit, die Dynamik eines Spiels aus einer anderen Position zu erleben und tiefer in die Organisation und Kommunikation während der Spiele einzutauchen. Bei dem Halbfinalspiel zwischen USA und England durfte ich als 4. Offizieller amtieren.

Doch der Höhepunkt meiner Reise war der Moment, als ich die Gelegenheit hatte, die anderen drei gehörlosen Schiedsrichter zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen. Diese Begegnung war inspirierend und stärkte unsere gemeinsame Bindung als Schiedsrichter:innen im Gehörlosenfußball. Die gesammelten Erfahrungen waren für mich von unschätzbarem Wert und haben maßgeblich zu meiner persönlichen Weiterentwicklung beigetragen.

Ich möchte mich von Herzen bei dem Berliner Fußball Verband e.V. und dem Deutschen Fußball Bund e.V. für ihre großzügige Unterstützung bedanken. Diese Unterstützung war ein bedeutendes Signal für meine persönliche Weiterentwicklung und hat mich sehr gefreut.

Ich bin bereits gespannt, welche zukünftigen Aufgaben noch auf mich zukommen!