Lost in Translation - Berliner Schiedsrichter zu Gast beim Landesligalehrgang des WFV

Am dritten Juli-Wochenende fand ein Lehrgang für Landesliga-Schiedsrichter des Württembergischen Fußballverbandes statt. Da jährlich ein Vertreter aus Württemberg zum Berliner Osterlehrgang eingeladen wird, entsendet Berlin jährlich im Austausch einen Vertreter nach Süddeutschland. In diesem Jahr vertrat uns David Jahn vor Ort.

Ein Lehrgangsbericht aus der persönlichen Perspektive von David Jahn

Freitag

Ankunft. Kritische Blicke der Rezeptionistin mustern mich. Als stolzer Berliner trage ich natürlich mein T-Shirt des BFV. Die Hauptstadt in Ruit? Die Dame hinter dem Empfangstresen kläre ich schnell auf und gebe mich als Berliner Gast beim Landesliga-Lehrgang zu erkennen. Das Konzept scheint ihr zwar nicht geheuer, freundlich gibt sie mir dann aber doch den Zimmerschlüssel 901 heraus. Das Zimmer finde ich schließlich im zweiten Stock, logisch.

Kurz darauf treffe ich auf die ersten Schiri-Kollegen. Deren Gemütszustand wechselt zwischen schweigsamer Anspannung und überspielender Extrovertiertheit. So fühlt sich Druck an. Für die Kollegen steht am Abend die Leistungsprüfung an. Beim Abendessen versuche ich mich zu integrieren, scheitere vereinzelt an meinen Sprachkenntnissen. Als ich vor der Wefzg gewarnt werde, lächle ich freundlich. In völliger Unkenntnis schärfe ich meine Sinne vor möglichen Gefahren.

Im Seminarraum starten wir mit dem Regeltest. Dieser findet hier ausschließlich digital statt. Aus einem Pool werden jedem Kandidaten individuell 15 Fragen zufällig zusammengestellt. Den Test bestehe ich mit voller Punktzahl. Die Fragen waren auf Deutsch.

Es folgt der Konformitätstest. Dabei werden wiederum 15 Videoszenen gezeigt, bei denen wie zuvor die richtige Entscheidung zu treffen ist. Ein Modell, welches auch in Berlin diskutiert wird und darum für mich besonders interessant ist. Wir alle bestehen den Test. Nun fällt die Anspannung ab.

Samstag

Aufstehen. Pünktlich um 7:45 Uhr geht’s auf den Sportplatz zum letzten Teil der Leistungsprüfung, dem Lauftest. Aufgrund einer Knieverletzung laufe ich nicht mit und mache mich beim Aufbau nützlich. Meine Nicht-Leistung überspiele ich, indem ich möglichst vielen erzähle, dass wir in Berlin pro Intervall zwei Sekunden schneller laufen müssen. Pah, diesen Lauftest schaffen Berliner problemlos! Dass wir dabei eine ganze Runde weniger laufen müssen, erwähne ich nicht. Bei 34 Grad im Schatten schaffen auch hier alle ihre Laufprüfung. Beachtlich? Naja, die sind im Süden die Hitze gewohnt, denke ich mir.

Nach dem Mittagessen wird Bilanz zum neuen Beobachtungsbogen gezogen. Insgesamt wird eine Verbesserung im Vergleich zum alten „8,4-System“ wahrgenommen. Mir fällt auf, dass die Benotungen in Berlin deutlich besser ausfallen. Ob das an den Schiedsrichtern oder am Beobachtungswesen liegt, muss jeder für sich definieren.

In Vorbereitung auf den Abend spenden Aufsteiger den Spesensatz eines Landesliga-Spiels in Höhe von 50€. Auch ich gebe die Berliner Vergütung in Höhe von 29€ in die Kasse. Eine Erhöhung der Spesensätze wurde in Berlin vor einigen Jahren abgelehnt. In Württemberg ist eine Erhöhung zum 1. Januar 2024 geplant. Die von der Laufprüfung erschöpften Leistungssportler lassen den Abend bei klassisch-mallorquinischer Musik und kalten isotonischen Getränken regenerativ ausklingen.

Sonntag

Austausch. Als erster Programmpunkt erwartet uns heute ein Gespräch mit zwei Trainern aus der Verbandsliga. Einer von beiden stellt sich als Problemtrainer vor, gelobt aber Besserung. Im Mittelpunkt der zweistündigen Diskussion steht die Frage, welche gegenseitigen Erwartungen auf dem Fußballplatz bestehen. Dass ein knappes „Gut gepfiffen!“ nach Abpfiff für uns Schiedsrichter schon das schönste Kompliment ist, überrascht die Trainer. Wir sind verblüfft, wie wenig sich manche Teams mit den Fußballregeln beschäftigen. Der Austausch bietet neue Perspektiven und schafft gegenseitiges Verständnis.

Abschließend werden die Regeländerungen für die neue Saison vorgestellt, inklusive eines württembergischen Modells zur Verhinderung von Spielabbrüchen durch eine fünfminütige Spielunterbrechung. Abbrüche sind hier aber ohnehin eine Rarität.

Und so denke ich mir, dass das Pfeifen hier sicher genauso Spaß macht wie in Berlin. Der schwäbische Dialekt mag nicht immer verständlich sein, die Spesen und die geringe Quote an Gewaltvorfällen sprechen für ein respektvolles Miteinander. Ein solcher Verbandsaustausch setzt Impulse und neue Eindrücke.