„Es geht oft um das Geschlecht, nicht um das Sportliche“

Als BFV-Präsidialmitglied Junge Generation U30 vertritt Lisa Marie Großer die Anliegen der jüngeren Mitglieder der Berliner Fußballfamilie. Foto: BFV.

Im Interview spricht Präsidialmitglied Lisa Marie Großer über ihre Erfahrungen als Frau im Berliner Fußball und Herausforderungen für die Zukunft.

Auf dem Verbandstag 2021 wurde Lisa Marie Großer ins Präsidium des Berliner Fußball-Verbands gewählt. Als Präsidialmitglied Junge Generation U30 vertritt sie die Anliegen der jüngeren Mitglieder der Berliner Fußballfamilie und befasst sich mit der Herausforderung, wie der Nachwuchs für ehrenamtliches Engagement begeistert werden kann.

Frauen sind auch heute im Fußball noch unterrepräsentiert, besonders auf Führungsebenen. Wie Lisa den Weg in ihre Rolle gefunden hat, mit welchen Reaktionen sie sich konfrontiert sah und wie es gelingen kann, dass der Berliner Fußball zukünftig weiblicher wird, erzählt sie im BFV-Interview.

Hallo Lisa, in deiner Funktion als Präsidialmitglied Junge Generation U30 beschäftigst du dich insbesondere damit, wie man junge Menschen für ehrenamtliches Engagement im Berliner Fußball begeistern kann. Wie hast du selbst deinen Weg in diese Rolle gefunden?

2010 hat mich eine Freundin gefragt, ob ich mit zum Training ihrer Mannschaft kommen wolle. Das war in den Sommerferien, als ich gerade nicht wusste, was ich mit der Freizeit anstellen sollte. Ich bin mitgegangen und so fing mit 13 Jahren meine Fußballkarriere beim BSC Marzahn an. Dort bin ich auch relativ schnell in die ehrenamtliche Position der Trainerin gekommen. Ich wusste bereits damals, dass ich später beruflich mit Kindern arbeiten wollte (Anm. d. Red. Lisa arbeitet heute als Erzieherin) und habe die Möglichkeit, beim BSC die Bambini-Gruppe zu leiten, gerne angenommen. Über die Jahre habe ich dann unterschiedliche Teams verschiedener Altersklassen trainiert, bevor ich später beim Frauenfußball-Club Berlin die Rolle der Jugendleitung übernommen habe. Beim FFC hat mich insbesondere unsere Vorsitzende Yvonne Schumann immer wieder in meiner Arbeit unterstützt und mich ermutigt, meine Ideen zu verfolgen. Sie hat mich auch darin bestärkt, mich schließlich beim Berliner Fußball-Verband zu engagieren (Anm. d. Red.: Yvonne Schumann ist als Referentin Spielbetrieb im Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball (AFM) des BFV tätig). Zum BFV bin zunächst über mein Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur gekommen, auf dem Verbandstag 2021 habe ich mich dann für mein Präsidialamt zur Wahl gestellt.

Dein aktueller Verein, der FFC Berlin, ist ein reiner Frauenfußball-Club. Sorgt diese Tatsache deiner Wahrnehmung nach für Reaktionen, mit denen sich andere Vereine nicht konfrontiert sehen?

Mittlerweile sind wir akzeptiert. Wir haben uns in der Vergangenheit aber immer mal wieder mit blöden Sprüchen konfrontiert gesehen. Das kam vor allem dann vor, wenn wir mit unseren Mädchen an einem Jugendturnier teilgenommen haben, bei dem sonst nur Jungenteams mitgespielt haben. In solchen Situationen sind Aussagen gefallen wie „das ist ja unfair mit den Mädels, weil man da nicht so hart rangehen könne“ oder „die werden ja nur nicht Letzte, weil wir Mitleid mit ihnen haben“. So etwas ist anstrengend, denn es geht dabei nicht um das Sportliche, sondern nur um das Geschlecht. Auf der anderen Seite hatte ich aber auch schon sehr viele gute Gespräche mit Vertreter:innen von anderen Vereinen, die beispielsweise gefragt haben, was man beachten müsse, wenn man damit anfängt Mädchenfußball anzubieten.

Warum hat sich der FFC dafür entschieden, ausschließlich Frauen- und Mädchenfußball anzubieten?

Das war von Beginn an ein Alleinstellungsmerkmal und das wollte sich der Club bewahren. Der Verein beschränkt sich bewusst auf die weibliche Zielgruppe und setzt den Fokus auf die Jugendarbeit. Der FFC möchte „safe places“ für Mädchen im Fußball schaffen.

Apropos sichere Räume schaffen – hast du persönlich Erfahrungen im Fußballkontext gemacht, in denen du aufgrund deines Geschlechts nicht gleichbehandelt wurdest?

In meiner ehrenamtlichen Arbeit musste ich leider häufiger Situationen erleben, in denen mir aufgrund meines Geschlechts nicht mit dem gleichen Respekt begegnet wurde wie männlichen Kollegen. „Die Sekretärin“. „die Saftschubse“ – mit derartigen stereotypen Zuschreibungen wurde ich als Frau im Fußball konfrontiert.

Welche Ansatzpunkte siehst du, um Frauen im Fußball zu stärken?

Zum einen müssen wir weibliche Spielerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen sichtbarer machen, z. B. durch spezielle Ehrungen für Frauen. Zum anderen müssen wir unsere Qualifizierungs- und Vernetzungsangebote für weibliche Teilnehmerinnen Schritt für Schritt weiter ausbauen, damit Frauen zukünftig auch stärker in Führungspositionen im Fußball vertreten sind.

Wie stellt sich der Anteil weiblicher Personen im Berliner Fußball aktuell dar?

Egal ob im Verband oder in den Vereinen, Führungsebenen sind zum Großteil mit älteren und männlichen Personen besetzt. Trotzdem ist über die letzten Jahre eine Entwicklung wahrnehmbar, dass sich allmählich mehr Frauen ehrenamtlich im Berliner Fußball engagieren – vor allem auf der Trainer:innenposition ist das zu beobachten. Auch im BFV hat sich dahingehend viel verändert. Das Mädchenfußballprojekt „Alle kicken mit“ beschäftigt mittlerweile allein mehrere hauptamtliche Stellen. Mit dem Bereich „Gesellschaftliche Verantwortung“ befasst sich eine ganz Abteilung, die von einer Frau geleitet wird. Das sind positive Beispiele, die für die Zukunft Mut machen.

Vielen Dank für das Gespräch, Lisa!

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