„Ein großer Vorteil ist der sportliche Fortschritt für die Vereine“

Gerd Liesegang gab im Hinblick auf den Arbeits-Verbandstag ein aufschlussreiches Interview zur geplanten Einführung der Lizenzpflicht.

Am 16. November 2019 um 9:30 Uhr wird im Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Schöneberg (Hauptstraße 125, 10827 Berlin) der Arbeits-Verbandstag des BFV stattfinden.

Zu diesem Anlass haben das BFV-Präsidium und der Ausschuss für Qualifizierung einen Antrag auf Einführung der Lizenzpflicht in der Herren-Berlin-Liga (B-Lizenz), der Landes- und Bezirksliga der Herren, den höheren Jugendspielklassen ab der D-Jugend sowie der Verbands- und Landesliga der Frauen (C-Lizenz) gestellt. Die Lizenzpflicht soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten und maßgeblich zur Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards im Sinne der BFV-Trainerausbildung beitragen. Andere Landesverbände, Regionalverbände und auch der DFB haben entsprechende Regelungen bereits erfolgreich eingeführt. 

Vizepräsident Gerd Liesegang klärt auf

Zur geplanten Einführung der Lizenzpflicht und der Qualifizierungsoffensive 2022 gab Gerd Liesegang, BFV-Vizepräsident für Qualifizierung & Soziales, ein aufschlussreiches Interview, um die Vereine und ihre Trainer/innen zu informieren und mögliche Zweifel aus der Welt zu räumen:

Wie kam die Idee für eine Lizenzpflicht zustande?

Wir sehen schon seit langer Zeit die Notwendigkeit, unsere Trainerinnen und Trainer flächendeckend zu qualifizieren. Im Laufe der Zeit hat sich in diesem Bereich schon viel getan. Viele Vereine sind bereits bei unseren Qualifizierungsmaßnahmen sehr aktiv und sehen den großen Nutzen für den eigenen Verein. Im Mittelpunkt stehen auch die Spielerinnen und Spieler. Diese sollen von qualifizierten Trainerinnen und Trainern profitieren, um Spaß am Fußball zu haben und um sich weiterentwickeln zu können. Wir beobachten, dass es häufiger Probleme mit nicht lizenzierten als mit lizenzierten Trainern am Spielfeldrand gibt. Dies betrifft das Verhalten und das fachliche Coaching. Gerade in den höchsten Berliner Spielklassen sollte es daher im sportlichen Interesse sein, dass dort lizenzierte Trainerinnen und Trainer agieren. Erfahrungen als Spielerin oder Spieler sind wichtig, aber noch keine ausreichende Qualifikation für eine Trainertätigkeit. Selbst sehr erfahrene Trainerinnen und Trainer lernen nie aus und können durch eine Qualifizierungsmaßnahme immer noch etwas dazulernen. Vor allem auch der Austausch bei einem Lehrgang mit den anderen Trainerinnen und Trainern ist sehr hilfreich.

Welche Vorteile wird die Lizenzpflicht sowohl für die Trainer/innen, als auch für die Mannschaften mit sich bringen?

Ein großer Vorteil der Lizenzpflicht ist der sportliche Fortschritt für die Vereine. Wir schaffen dadurch einen Schritt in Richtung einheitlicher Qualitätsstandards im Trainerwesen. Die Trainerinnen und Trainer erhalten ihr Handwerkszeug. Sich mit moderner Trainingsmethodik, Mannschaftsführung und altersgerechten Inhalten auseinanderzusetzen und diese umzusetzen, stärkt von Anfang an die Autorität. Spielerinnen und Spieler merken recht schnell, ob eine Trainerin oder ein Trainer für die Tätigkeit qualifiziert ist, was auch Auswirkungen auf die Motivation haben kann. Mit den notwendigen Qualifizierungen werden die Trainerinnen und Trainer besser und das wird sich auch auf die Qualität der Mannschaften auswirken. Man kann individueller auf einzelne Spielerinnen und Spieler eingehen, um ihre Stärken zu fördern und Schwächen auszumerzen und um letztendlich auch zu sehen, wo genau die gesamte Mannschaft Kompetenzen und Defizite hat. Das gesamte Spielniveau in Berlin erhöht sich, wenn alle Beteiligten besser werden.

Ende Juni gab es einen Sonderlehrgang zum Erwerb der C-Lizenz geben. Was erwartete die Trainer/innen vor Ort?

Der Sonderlehrgang war eine Art Probelauf und wurde erfreulicherweise sehr gut angenommen. Der Lehrgang war sehr schnell ausgebucht. Wir haben diesen rabattierten und kompakten Sonderlehrgang speziell in den Spielklassen angeboten, in denen wir die Lizenzpflicht einführen wollen. Die entsprechenden Vereine wurden eingeladen, ihre nicht lizenzierten Trainerinnen und Trainer für den Lehrgang anzumelden. Wir möchten mit diesem besonderen Angebot bereits präventiv vorgehen und betreffende Trainerinnen und Trainer frühzeitig qualifizieren. Erstmals haben wir das neu konzipierte Profil Erwachsene in Kombination mit dem Profil Jugend durchgeführt, wodurch wir auch inhaltlich der Zielgruppe gerecht werden wollten. Zusätzlich wurde die Eignungsprüfung zur B-Lizenz integriert. Wir werden in den nächsten Jahren weitere Sonderlehrgänge anbieten, um die Vereine auf diesem Weg bei der Lizenzierung ihrer Trainerinnen und Trainer zu unterstützen.

Welche Möglichkeiten haben Trainer/innen, die den Lehrgang in diesem Zeitraum nicht wahrnehmen können?

Wir bieten viele weitere Lehrgänge über das Jahr hinweg an – dezentral und im Landesleistungszentrum. Die drei Teile zur C-Lizenz werden in der Regel modular angeboten, sodass sich jeder die C-Lizenz recht flexibel nach der zeitlichen Verfügbarkeit zusammenstellen kann. Wir möchten auf die Wünsche der Vereine eingehen und kommen gerne auch direkt in den Verein. Daher haben wir im Rahmen des Antrags zur Lizenzpflicht auch die Qualifizierungsoffensive 2022 ins Leben gerufen. Die Gebühren werden von 2020 bis 2022 für dezentrale Maßnahmen halbiert. Es entfällt die Gebühr für die Lizenzerstausstellung. Wir bieten zum Beispiel Blended Learning Lehrgänge an. Verringerte Präsenzphasen werden mit Onlinephasen kompensiert, um dadurch mehr Flexibilität im Lernen zu ermöglichen. Es ist eine B-Lizenz für über 40-Jährige angedacht. Auch Lehrgänge nur für Trainerinnen sind in der Planung. Lehrgänge für junge Ehrenamtliche sind ebenfalls im Programm. Unser Ziel ist es, möglichst flexible, kostengünstige und zielgruppengerechte Angebote zu schaffen. Wenn wir sehen, dass der Bedarf hoch ist und die Vereine mitziehen, dann werden wir auch flexible Lösungen und Möglichkeiten finden. Jede Trainerin und jeder Trainer soll in den Genuss des Qualifizierungsangebots kommen.

Wie soll der Verbandstag im November bezüglich der Verabschiedung der Lizenzpflicht ablaufen?

Die Mehrheit der Vereine muss sich für den Weg der Qualifizierung und der Lizenzpflicht für bestimmte Spielklassen aussprechen, damit diese eingeführt wird. Es gibt bereits viele andere Landesverbände, die den Weg schon gegangen sind. Wir wollen die Vereine von der Idee überzeugen, damit sie die Notwendigkeit erkennen, die Qualität ihrer Trainerinnen und Trainer zu stärken, wodurch wiederum die Spielerinnen und Spieler profitieren. Wir haben auf mehreren Tagungen den Vereinen bereits die Idee einer Lizenzpflicht für bestimmte Spielklassen präsentiert und viel positive Resonanz erhalten. 

Was wird auf Vereine zukommen, die die Lizenzpflicht möglicherweise nicht erfüllen?

Unser Ziel ist es, dass diese Situation gar nicht eintritt. Dafür soll die Qualifizierungsoffensive sorgen. Außerdem gibt es Übergangsregelungen in den betreffenden Spielklassen, sodass alle gemeinsam ausreichend Zeit haben, um die Trainerinnen und Trainer zu qualifizieren. Wir haben im Antrag Ausnahmeregelungen für bestimmte Situationen definiert, diese sind der Aufstieg in eine lizenzpflichtige Spielklasse und der Trainerwechsel. Darüber hinaus kann noch ein Einzelfallantrag gestellt werden, um individuelle Situationen zu schildern. Wenn die Bestimmungen beinhalten, dass eine Lizenz Voraussetzung dafür ist, eine Mannschaft in der entsprechenden Spielklasse zu trainieren und diese Voraussetzung nicht erfüllt wird und auch die Ausnahmeregelungen nicht greifen, kann eine Belastung am Ende der Saison fällig werden. Die Höhe entspricht den Teilnahmegebühren für die entsprechende Lizenz. Die Selbstverpflichtung des BFV ist, dass Belastungen in die Qualifizierung der Trainerinnen und Trainer im Kinderfußball fließen. In diesem Bereich haben wir einen großen Bedarf an qualifizierten Trainerinnen und Trainern. Sollten also Sanktionen anfallen, kommen diese somit indirekt den Kleinsten zugute. Bis 2024 soll die Lizenzpflicht endgültig in allen angedachten Spielklassen eingeführt sein. Wir haben uns alle Spielklassen angeschaut. Unser Eindruck ist, dass die Mehrzahl der Vereine bereits jetzt daran interessiert ist, dass sich ihre Trainerinnen und Trainer qualifizieren und fortbilden. Vielen Vereinen wird daher die Erfüllung einer Lizenzpflicht gar nicht schwerfallen. Einige Vereine bekommen hoffentlich den notwendigen Schubs, um die wichtige Aufgabe der Trainerqualifizierung verstärkt in den Fokus zu rücken. Alle Vereine profitieren von der Qualifizierungsoffensive.

Ist langfristig auch eine Ausweitung der Lizenzpflicht auf alle Berliner Ligen geplant?

Wir wollen erst einmal die Berlin-Liga, die Landesliga und Bezirksliga der Männer, die höheren Jugendspielklassen ab der D-Jugend und die Berlin-Liga sowie Landesliga der Frauen abdecken. Wenn der Wunsch der Vereine nach einer Ausweitung vorhanden ist, werden wir uns natürlich darauf einstellen, aber geplant ist es im Augenblick nicht. Vielmehr wollen wir in den anderen Alters- und Spielklassen eine Sogwirkung entfalten, dass der eigene Antrieb zur Anmeldung bei einem Lehrgang führt. Gerade im Kinderbereich brauchen wir qualifizierte Ehrenamtliche, aber eine Lizenzpflicht ist von der G- bis zur E-Jugend aus unserer Sicht nicht der richtige Ansatz.

Die vollständigen Anträge zum Arbeits-Verbandstag als PDF zum Download (Antrag Nr. 36)

Qualifizierungsoffensive 2022

Weitere Informationen: BFV-Arbeits-Verbandstag 2019