Leider kommt es immer noch viel zu häufig zu verbalen Grenzüberschreitungen auf den Fußballplätzen. Der Grat zwischen beleidigenden und diskriminierenden Äußerungen ist dabei ein schmaler. Die Unterschiede erkennen zu können, um sprachliche Entgleisungen angemessen zu bewerten und zu sanktionieren, stellt für die Rechtsorgane im organisierten Fußball eine wichtige Kernkompetenz dar.
Um Mitglieder des Sport- und Verbandsgerichts sowie des Schiedsrichter:innenwesens und der spieltechnischen Ausschüsse des Berliner Fußball-Verbands für das Thema zu sensibilisieren, fand am 16. und 17. September 2022 das Seminar „Noch beleidigend oder schon diskriminierend– was passiert auf dem Spielfeld?“ statt. Initiiert wurde die Veranstaltung mit rund 30 Teilnehmenden auf Gut Hesterberg bei Neuruppin von Jan Schlüschen, BFV-Vizepräsident Recht. Als Referenten begrüßte der BFV den renommierten Sportrechtler und Hochschulprofessor Prof. Dr. Martin Nolte. 2011 berief ihn die Deutsche Sporthochschule Köln auf eine Professur und ernannte ihn 2014 zum Leiter des von ihm mitbegründeten, interdisziplinären Instituts für Sportrecht. Prof. Dr. Nolte befasst sich in seiner Arbeit insbesondere mit Diskriminierungsfällen im Fußball.
„Bewusstsein für Tatbestände der Diskriminierung schärfen“
Ziel des Seminars war es, bei den Teilnehmenden ein besseres Verständnis für das Unterscheiden zwischen Diskriminierungen und Beleidigen zu schaffen sowie eine gemeinsame Grundlage zu erarbeiten, auf Basis derer die Ahndung entsprechender Vergehen in Zukunft erfolgen soll. Dazu wurden exemplarisch auch zurückliegende Tatbestände aus dem Berliner Fußball analysiert.
„Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass wir bei mündlichen Verhandlungen hören: ‚Das ist doch gar keine Diskriminierung, das ist der normale Umgangston auf dem Fußballplatz.‘ Derartige Verharmlosungen von Fehlverhalten zeigen uns, dass wir noch eine Menge tun müssen, um ein Umdenken in den Köpfen zu erreichen“, sagt Dennis Dietel, Vorsitzender des BFV-Sportgerichts. „Deshalb müssen wir Diskriminierungen klar benennen und in bestimmten Fällen künftig auch noch härter sanktionieren. Das Seminar von Prof. Dr. Nolte war rundum gelungen und eine große Hilfe, um das gemeinsame Bewusstsein für Tatbestände der Diskriminierung noch einmal zu schärfen.“
„Alle haben eine einheitliche Anwendung vor Augen“
Das Sportgericht ist in erster Instanz für die Verhandlung von Diskriminierungsfällen verantwortlich, wenn diese durch den:die Schiedsrichter:in dem BFV gemeldet werden. Kommt es zu Berufungen gegen die Entscheidungen des Sportgerichts, ist das Verbandsgericht für die weitere Verhandlung zuständig. „Aus diesem Grund ist es wichtig, dass auch wir eine Sensibilität für das Thema Diskriminierung entwickeln“, erklärt Dr. Kostja von Keitz, Vorsitzender des BFV-Verbandsgerichts und fügt an: „Das Seminar hat gezeigt, dass alle Teilnehmenden aus den unterschiedlichen Rechtsorganen und Ausschüssen des BFV Handlungsbedarf in diesem Feld sehen und auch eine einheitliche Anwendung der Regelungen bei Diskriminierungsfällen vor Augen haben.“
Diese einheitliche Linie bei der Ahndung von diskriminierenden Äußerungen beginnt aber nicht erst bei den Rechtsorganen des Berliner Fußball-Verbands sondern bereits auf dem Platz – bei den Schiedsrichter:innen. Deshalb nahmen auch Vertreter:innen des Schiedsrichter:innenwesens an der Veranstaltung auf Gut Hesterberg teil. „Den Unterschied zwischen Beleidigungen und Diskriminierungen erkennen zu können, ist eine wichtige Kompetenz, die wir unseren Berliner Schiedsrichter:innen in Zukunft verstärkt durch Qualifizierungsmaßnahmen vermitteln werden“, sagt Alexander Molzahn, BFV-Präsidialmitglied Schiedsrichter. „Die Gespräche mit den Mitgliedern der Rechtsorgane und der spieltechnischen Ausschüsse im Rahmen des Seminars waren sehr wertvoll. Diesen konstruktiven Austausch gilt es, auch zukünftig aufrechtzuerhalten, um der Diskriminierung auf den Plätzen bestmöglich entgegenzuwirken.“