Sepp-Herberger-Urkunde für Gerd Liesegang und Viktoria Mitte

Im Mannheimer Rosengarten wurden am 28.März die Sepp-Herberger-Urkunden 2017 verliehen, unter anderem an BFV-Vizepräsident Gerd Liesegang und Viktoria Mitte.

Insgesamt 13 Preisträger erhalten in den Kategorien Behindertenfußball, Resozialisierung, Schule und Verein, Fußball Digital sowie Sozialwerk die mit Geld- und Sachpreisen in einer Gesamthöhe von 58.000 Euro dotierten Auszeichnungen. Platz eins in der Kategorie Resozialisierung geht an Gerd Liesegang, BFV-Vizepräsident Qualifizierung & Soziales, und Werner Poel. Die Kategorie Fußball Digital gewinnt der SV Viktoria Mitte Berlin. 

Premiere: Die Sepp-Herberger-Urkunde im Bereich Resozialisierung wird erstmals an ein Duo verliehen. Geehrt wird zum einen der Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV), Gerd Liesegang, zum anderen der umtriebige und nimmermüde Fußballtrainer Werner Poel. Die beiden leisten in der Bundeshauptstadt Beispielhaftes.
„Ich kann das Motto 'Fußball ist mehr als ein 1:0' nur unterschreiben. Es ist so wichtig, über den Sport hinaus einen gesellschaftlichen Mehrwert zu kreieren, der unseren Umgang miteinander menschlicher macht“, betont Liesegang, der sich seit mehr als 20 Jahren um das soziale und gesellschaftliche Engagement des BFV kümmert.

Gerd Liesegang als Initiator der Partnerschaft mit der JSA Berlin

Gerd Liesegang war auch derjenige, der 1996 die Partnerschaft mit der Jugendstrafanstalt (JSA) Plötzensee aus der Taufe hob. Der wöchentliche Trainingsbetrieb in der JSA ist seitdem Usus. Etliche der Insassen wurden nach der Inhaftierung an Berliner Fußballvereine vermittelt, der Weg zurück in die Gesellschaft so ein Stück erleichtert. „Der Fußball ist ein sehr gutes Mittel, um die Jugendlichen zu erreichen“, berichtet Liesegang, „es gibt feste Regeln, an die man sich halten muss – wie auch im normalen Leben.“
Liesegang ist dort zu Hause, wo unterschiedliche Kulturen Haustür an Haustür wohnen. Tag für Tag erlebt er mit, wie schwer es ist, gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund zu integrieren. In der JSA ist er umfassend engagiert. Er hat sich Mitte der 2000er-Jahre dafür eingesetzt, dass in der JSA ein DFB-Minispielfeld gebaut wird. Heute finden auf dem zusätzlich geschaffenen Fußballplatz Freizeitturniere und Aktionstage statt. Dabei sind regelmäßig Anstaltsmannschaften, aber auch reguläre Vereinsteams zu Gast.

Mit der Unterstützung von Gerd Liesegang und des Berliner Fußball-Verbandes nimmt die Haftanstalt auch an der Resozialisierungsinitiative „Anstoß für ein neues Leben“ teil. „Eine feste Institution ist mittlerweile auch unsere Jahresabschlussfeier geworden“, betont Liesegang. In der Vorweihachtszeit wird eine Tafel festlich eingedeckt, es gibt Gebäck und kleine Geschenke. Otto Rehhagel, Wolfgang Dremmler und DFB-Präsident Reinhard Grindel waren zu diesem Anlass bereits in der Haftanstalt zu Gast.

Förderung sprachlicher und medialer Kompetenz steht im Mittelpunkt 

Selbst einmal Marcel Reif oder Béla Réthy sein – warum nicht, sagten sich die Vereins-Verantwortlichen des SV Rot-Weiß Viktoria Mitte aus Berlin. Im digitalen Zeitalter hat der Klub aus der Hauptstadt einen neuen Weg eingeschlagen. Das Motto lautet: Vom Spieler zum Sprecher, vom Sportler zum Berichterstatter.

Auf dem internen Video-Blog „Viktoria Channel“ werden die selbst aufgenommenen Berichte zu den Spielen angeboten. Statt geschriebener Texte über den Spielverlauf hin zu kurzen Spielberichten mit Bewegtbildern. Im zweiten Schritt ist die Ausbildung jugendlicher Vereinsreporter vorgesehen. „Die Jugendlichen sollen von ihren Trainern und Projektleitern angeleitet und motiviert werden, die Perspektive zu wechseln. Vom passiven Konsumenten von Video-Portalen hin zur aktiven Persönlichkeit vor der Kamera“, heißt es von Vereinsseite über das Projekt. 

„Wichtig ist, dass uns bei den jugendlichen Spielern die Einverständniserklärung der Eltern vorliegt. Es muss rechtlich alles korrekt ablaufen. Das Hochladen dauert dann manchmal ein bis zwei Wochen, weil wir auf die Rückmeldung warten müssen“, berichtet Jugendleiter Elias Bouziane. Schneller geht es, wenn zum Beispiel die Ü40 einen Beitrag abliefert. „Der kann dann direkt hochgeladen werden“, so Bouziane. So konnte schon unmittelbar nach einem Abendspiel das digitale Werk im internen Internet-Blog angesehen werden.

Wichtig ist: Es steht derzeit nicht die Verbreitung im Vordergrund, denn der Zugang ist nur den Vereinsmitgliedern vorbehalten. Vielmehr geht es um die Förderung sprachlicher und medialer Kompetenz. Ein richtungweisendes Projekt von der Spree, das auch die SAP begeistert hat. „Das Beispiel des SV Viktoria Mitte zeigt eindrucksvoll, welche neuen digitalen Möglichkeiten sich den Fußballvereinen heute bieten, um insbesondere Kinder für Sport und Technologie zu begeistern. Der kreative Ansatz hat uns überzeugt“, sagt SAP-Direktorin Gabriele Hartmann. Der Softwarekonzern aus Walldorf ist gemeinsam mit dem IT-Portal stifter-helfen.de Partner der Kategorie Fußball Digital.

Der Schritt vor die Kamera bedarf sicherlich einer gewissen Überwindung, aber das Festhalten von Spielberichten, Interviews und Emotionen in selbst produzierten Videos ist ein wichtiger Lernprozess für die Spieler der unterschiedlichen Teams. „Gerade unsere Jugendspieler sollen lernen, sich vor der Kamera auszudrücken und ihre Eindrücke verständlich wiederzugeben“, heißt es von Seiten der Viktoria. Die Angst vor freier Rede soll mit Hilfe des „Viktoria Channel“ genommen werden. Außerdem wird die sprachliche und mediale Gewandtheit gefördert. Und die Chronik einer Saison erhält durch die unterschiedliche Art der Kommentierung eine ganz besonders kreative Ausrichtung.

Beim „Viktoria Channel“ sind alle dabei

„Ich war zuletzt auf einem Kongress in Erfurt. Da habe ich einen Vortrag zum Thema Prävention gehalten. Aber ich habe auch unser Projekt erwähnt und etliche Vereine haben sich das dann angeschaut und waren begeistert“, berichtet Bouziane. Das Projekt von Viktoria Mitte, einem Verein mit 3.000 Mitgliedern, ist aber noch längst nicht zu Ende erzählt. Man träumt von einer noch größeren Plattform und auch einer Veröffentlichung der einzelnen Beiträge nach außen – für alle Internetnutzer.

Der Weg kann sogar noch weitergehen, sollte das entsprechende Interesse vorhanden sein. Sportler und Jugendliche sollen noch häufiger als Vereinsreporter agieren. Produziert werden die Filme übrigens auf den persönlichen Smartphones der Spieler und Trainer oder auf vereinseigenen Digitalkameras.

Dass der Spaß natürlich im Vordergrund stehen soll, lässt sich am besten am „Projekt Fußball-Floskeln“ ablesen. Auf anschauliche Art und Weise werden die berühmt-berüchtigten Worthülsen der Kommentatoren auf die Schippe genommen. Sehr gelungen und fast schon professionell mit „special effects“ erstellt. 

Das Schöne: Jeder kann zu jeder Zeit im „Viktoria Channel“ etwas produzieren. Allen, die den Schritt vor die Kamera gewagt haben, ist die Begeisterung für die neuen Möglichkeiten anzumerken.

Hat es denn von Vereinsmitgliedern Vorbehalte gegenüber dem Projekt gegeben? Bouziane: „Da gab es wirklich keine, viele haben von Anfang an mitgezogen.“ Nachahmer gibt es im Augenblick bei den Berliner Vereinen noch nicht. Als Vorreiter für das bemerkenswerte Engagement erhält der SV Rot-Weiß Viktoria Mitte die Sepp-Herberger-Urkunde 2017.

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